Reisegeschichten

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Guinness, Whisky und zurück – Teil 3/3

Nach einer sonnigen heißen Irlandwoche heißt es: „Auf zum Flughafen, wir fliegen nach Edinburgh.“ Beim Befahren der Stadt mit dem Airportbus verschlägt es uns die Sprache. Mein Lonely Planet Reiseführer soll recht behalten: „Edinburgh ist eine Stadt, die wie kaum eine andere zu einem ausgedehnten Stadtbummel einlädt. Von den Gewölben und Gassen der Altstadt bis hin zu […] Überall in Edinburgh gibt es ungewöhnliche Ecken, die dazu verleiten immer noch ein kleines Stückchen weiter zu laufen.“ Wir bekommen unsere Münder vor Bewunderung gar nicht mehr richtig zu. Die Stadt riecht förmlich nach spannendster Geschichte, die noch immer lebendig zu sein scheint. Schwarze edle Taxis fahren durch Straßen, deren Ränder von den schönsten und ältesten Häusern, die ich je gesehen habe, gesäumt werden. Bunte Verkleidungen markieren die Eingänge zu Geschäften und Pubs.

 

Wir verlassen den Bus und begeben uns auf die Suche nach unserem Hostel, das ich mit größter Sorgfalt für unseren Aufenthalt auserkoren habe. Und jetzt sind wir an der Stelle angelangt, die den Anfang dieser Geschichte (Teil 1/3) bildet. Die zwei Frauen, um die es ging, sind nämlich wir und die Besitzer des Hostels, in dem wir wohnen wollen, haben Insolvenz angemeldet.
Der Mitarbeiter überlässt uns den Zimmercode und verschwindet aus dem verdreckten Raum, in dem wir ratlos zurückbleiben. Wir werfen die Rucksäcke auf eine (müll-) freie Stelle auf dem Holzfußboden und fragen uns: „Sollen wir bleiben?“
Innerhalb von knapp einer Stunde wägen wir Für und Wider ab und entscheiden uns schließlich fürs Gehen. Die Tatsache, dass wir die einzigen Gäste sind, dass wir unser Gepäck tagsüber nicht richtig sicher wissen und die unübersehbare Präsenz der Müllmassen bewegt uns zum Verlassen der Unterkunft. Wir bekommen den Tipp, es im Budget Backpackers Hostel zu probieren und kommen somit in einer supermodernen Unterkunft unter.

 

Wir fahren die eindrucksvolle Stadt mit Bussen ab, wandern durch enge Gassen, schlürfen Milchshakes in Straßencafés und probieren vom lokalen Whisky. Bei einer Tour durch die Untergrundwelt der Stadt lassen wir uns Schauergeschichten von vermeintlichen Hexen, Massenmördern und schlimmsten Lebensbedingungen ohne Licht, Bett, Bad und Sicherheit erzählen.

 

Nach zwei Tagen verlassen wir diesen historischen Ort und reisen mit einem Bus innerhalb von 2 ½ Stunden zum Loch Tay. Hier wollen wir auf dem Rob Roy Way bis nach Pitlochry wandern. Wir erfahren, dass es gestattet ist in freier Natur zu campen. Einzig eingezäunte Areale sind Tabu, es sei denn man bekommt die Erlaubnis der Besitzer.
Gleich nach unserem ersten Wandertag müssen wir Grundstückseigentümer ausfindig machen, da wir bis auf Zäune weit und breit nichts anderes sehen können. Wir landen auf einem Wassergrundstück mit Kanuverleih, auf dem wir offiziell bleiben dürfen, und genießen den Anblick der untergehenden Sonne hinter grünen Hügeln. Die letzten Strahlen brechen sich im sauberen Wasser des Loch Tay.
Am nächsten Wandertag schließen wir in einem Hotelrestaurant Bekanntschaft mit einem depressiv wirkenden Kellner, der sich unentwegt für die horrenden Preise seines Arbeitgebers entschuldigt. Der Mann will wissen, wie wir mit den Mücken fertig werden und drückt uns eine Packung Streichhölzer in die Hand, als er erfährt, dass wir noch nicht lange unterwegs sind und bisher einfach ins Zelt flüchteten.
„Macht euch ein Feuer. Das ist erlaubt.“, verabschiedet er uns.

 

Seit diesem Abend verliefen unser Tage in der schottischen Natur sehr ähnlich: Ausschlafen, Zelt abbauen, wandern, frische Lebensmittel einkaufen, Zeltplatz in der Nähe von Gewässern suchen, aufbauen, Lagerfeuer machen, essen, schlafen. Perfekt also.
Was die Hygiene angeht: Duschen taucht in obiger Aufzählung berechtigterweise nicht auf. Da wir uns jedoch vor der Reise einige Bekleidungsstücke der Firma Icebreaker (Keine Schleichwerbung, bin wirklich begeistert.) zugelegt hatten, war das auch gar nicht so wichtig, denn die Shirts aus Merinowolle nehmen selbst nach mehreren Wandertagen keinen unangenehmen Schweißgeruch an. Wir sind beeindruckt.

 

Unsere Reise endet in Glasgow, einer Stadt die uns auf den ersten Blick wenig gefällt. (Auf den zweiten Blick auch nicht.) Wir fragen uns zu unserem Hostel durch und lernen eine Japanerin kennen, die für nur eine Woche nach Schottland gereist ist. Sie arbeitet als Lehrerin und findet es so vermessen, eine Woche Urlaub zu nehmen, dass sie ihren Kollegen nichts davon erzählt hat. „Die meisten von uns haben drei oder vier Tage Urlaub. Wenn man es anders macht, sollte man das nicht an die große Glocke hängen.“
Leise erwidern wir: „Wir hatten zwei Wochen Urlaub und er ist morgen SCHON vorbei …“ Fassungslos krabbelt die Japanerin in ihr Bett und träumt wahrscheinlich vom Reisen. So wie wir. Mal sehen, wo es das nächste Mal hingeht.